Von der Sprachförderung
zur Sprachbildung
Erstförderung
ÜBERSICHT
Ein erfolgreicher Start in die deutsche Sprache legt die Grundlage für weiteres Lernen, Beteiligung und Bildungserfolg.
Hier finden Sie Impulse und Materialien zur Alphabetisierung und zum gezielten Wortschatz- und Grammatikerwerb anhand des Programms "Schrittweise Deutsch" für den DaZ-Unterricht in der Erstförderung und im Regelunterricht in den Klassen 1-6.
Alphabetisierung
(Zweit-) Alphabetisierung für Lernende mit Deutsch als Zweit- und Fremdsprache
Die Alphabetisierung in der Bildungssprache Deutsch folgt einer idealtypischen Vorstellung eines Schriftspracherwerbsprozesses.
(Zweit-)Schrifterwerb: Wer braucht was?
"Leben in einer Umgebung mit fremder Schrift – manche kennen das aus dem Urlaub, unsere Erfahrungen als Kindergartenkind sind in der Regel schon verblasst. Die meisten einsprachig in Deutschland aufgewachsenen Erwachsenen haben ...
Schrittweise Deutsch
Kurzvorstellung
Im angehängten PDF finden Sie eine Kurzvorstellung zu Schrittweise Deutsch: DOWNLOAD
(Zweit-) Alphabetisierung für Lernende mit Deutsch als Zweit- und Fremdsprache
Die Alphabetisierung in der Bildungssprache Deutsch folgt einer idealtypischen Vorstellung eines Schriftspracherwerbsprozesses. Es wird angenommen, dass der Erwerb der Schriftsprache mit den Teilkompetenzen der Lese- und Schreibfähigkeiten von Lernenden mit Deutsch als Erstsprache durch die Auseinandersetzung mit den Strukturen der Schriftsprache erfolgt. Dabei werden verschiedene Strategien entwickelt in unterschiedlich aufeinander aufbauenden Phasen, die seit Längerem in den meisten Modellen anhand von fünf Stufen beschrieben werden (Ehri, 1992; Frith, 1986; Günther & Brügelmann, 1986; Kirschhock, 2004; Klicpera et al., 2003; Mayer, 2022b; Scheerer- Neumann, 1998, nach Lüdtke et al., 2023).
1. präliteral-symbolische Phase:
Vorerfahrungen mit der (Schrift-)Sprache haben eine besondere Bedeutung und Auswirkung auf die Entwicklung der Schriftsprache. In dieser Phase handeln Lernende erstmals schriftsprachlich, indem sie Handlungen mit Schriftsprache nachahmen ohne die Schriftsprache selbst zu verstehen. Typische Handlungen von Kindern sind beispielsweise das Kritzeln oder ein vertieftes Bücheranschauen im Sinne des Als-ob-Vorlesens. Diese Aktivitäten fördern das Verständnis für die Symbolhaftigkeit von Schrift und sind als Vorläuferfähigkeiten für den erfolgreichen Schriftspracherwerb besonders relevant.
2. Logographemische Strategie:
In dieser Phase werden die Vorerfahrungen mit der (Schrift-)Sprache und damit die Vorläuferfähigkeiten für den Schriftspracherwerb vertieft und ausgeweitet. Lernende beginnen Wörter oder Wortteile wie einzelne Silben oder den Wortanfang und das Wortende anhand visueller Merkmale (wieder) zu erkennen. Assoziationen zwischen sichtbaren Schriftmerkmalen werden gebildet und ansatzweise mit der passenden Bedeutung und Aussprache verknüpft. Dabei werden Wörter und Wortteile als Ganzes gespeichert, ohne die zugrunde liegenden Buchstaben-Laut-Beziehungen zu verstehen. So werden dann auch Wörter oder Wortteile anhand der markanten visuellen Merkmale in einer Art „abmalen“ verschriftet.
3. Alphabetische Strategie:
In dieser Phase erwerben Lernende die Fähigkeit, Laute den entsprechenden Buchstaben zuzuordnen (Phonem-Graphem-Korrespondenz). Die einzelnen Laut-Buchstabe-Zuordnungen werden in eine Abfolge überführt und so zu größeren Einheiten wie Silben und Wörtern zusammengefügt. Beim Verschriften orientieren sich die Lernenden an der Lautung der Wörter. Da teilweise nur deutlich hörbare Laute verschriftet werden, sind die Schreibprodukte anfänglich skelettartig wie z. B. „MTA“ für „Mutter“ bis hin zu lautgetreuen, aber orthographisch noch nicht korrekten Schreibweisen wie z. B. „kint“ für „Kind“.
4. Orthographische Strategie:
Lernende beginnen, größere Einheiten wie Silben oder häufig vorkommende Buchstabenkombinationen zu erkennen und anzuwenden. Sie berücksichtigen zunehmend orthographische Regeln und sprachstrukturelle Elemente wie Morpheme, wodurch die Zahl der lautbasierten Schreibungen abnimmt.
5. Integrativ-automatisierte Phase:
In dieser abschließenden Phase werden die erworbenen Lese- und Schreibfähigkeiten automatisiert und gefestigt, sodass Lernende Wörter flüssig erkennen und orthographische Prinzipien sicher anwenden können.
Anhand des idealtypischen Verlaufs eines Schriftspracherwerbsprozesses von Lernenden mit Deutsch als Erstsprache werden die Teilschritte sichtbar, in denen sie sich die Schriftsprache Deutsch aneignen. Für Lernende mit Deutsch als Zweitsprache können diese Phasen variieren, da sie unterschiedliche sprachliche Hintergründe und Vorerfahrungen mitbringen. Zudem ist Heterogenität der Gruppe der Lernenden mit Deutsch als Zweitsprache zu beachten, die sehr unterschiedliche Voraussetzungen für den Erwerbsprozess mitbringen und vielleicht bereits in anderen Sprachen alphabetisiert sind.
Insbesondere für den Beginn des Alphabetisierungsprozess sollte für Lernende mit Deutsch als Zweitsprache beachtet werden, dass zum Teil nur wenige Berührungspunkte mit Schrift als solcher, einem lateinischen oder gar dem deutschen Schriftsystemvorliegen.
Bei allen Lernenden, die zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten in das deutsche Schulsystem eintreten, werden damit die heterogenen Voraussetzungen zum zentralen Ausgangspunkt, um Alphabetisierungsprozesse flexibel und individuell angepasst zu gestalten.
Quellen
Baark, C., Hüttis-Graff, P., Lüdtke, U., Stitzinger, U. & Teichmann, T. (2019). Hinweise und Materialien
für einen systematischen Rechtschreibunterricht in der Primarstufe in NRW – Handreichung. Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen. https://www.schulentwicklung.nrw.de/cms/upload/grundwortschatz/Hinweise-und-Materialien-fuer-einen-systematischen-Rechtschreibunterricht-in-der-Primarstufe-in-NRW-Handreichung.pdf.
Bezirksregierung Arnsberg Landesstelle Schulische Integration NRW. (o. D.). Handlungsleitfaden zu Alphabetisierungsprozessen für abgeordnete Lehrkräfte in Kommunalen Integrationszentren. Bezirksregierung Arnsberg.
Deepen, L. (2025, April 09). (Zweit-)Alphabetisierung im Deutschen - Fachliche und überfachliche Fragen und Antworten. Bezirksregierung Arnsberg, Landesstelle Schulische Integration, BiSS-Akademie NRW. https://lasi-netzwerk-nrw.de/sites/default/files/dokument/Fragen%20und%20Antworten%20Alphabetisierung.pdf
Haatz, H. (2015). Phonologische Bewusstheit und Schriftspracherwerb- Auswirkungen eines Trainings phonologischer Bewusstheit und eines um Rechtschreibinhalte erweiterten Trainings im ersten Schuljahr auf den Erwerb des Lesens und Rechtschreibens bei Schülerinnen und Schülern mit gering ausgebildeten schriftsprachspezifischen Vorläuferfertigkeiten (Dissertation). Fachportal Pädagogik. https://www.fachportal-paedagogik.de/literatur/vollanzeige.html?FId=3228049.
Lüdtke, U., Mayer, A., Stelze, K.-M. & Walbaum, M. (2023). Lesekompetenz gezielt fördern – Leseschwierigkeiten vermeiden. Hintergrundwissen und Unterrichtsanregungen für die Praxis. Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen. https://msb.xn--broschren-v9a.nrw/handreichungstaerkunglesekompetenz.
Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen und Landesstelle Schulische Integration (2024). Deutschförderung neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler - Einführende Handreichung zur Umsetzung des Runderlasses des Ministeriums für Schule und Bildung „Integration und Deutschförderung neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler“. Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen. https://lasi-netzwerk-nrw.de/sites/default/files/dokument/Handreichung%20zur%20Deutschfoerderung-neu-zugewanderter-Schuelerinnen-und-Schueler.pdf.
QUA-LiS NRW (2016). Qualitative Fehleranalyse als Instrument der Diagnose.
https://www.schulentwicklung.nrw.de/q/upload/Inklusion/Handreichung_Deutsch_Rechtschreibung.pdf.
(Zweit-)Schrifterwerb: Wer braucht was?
"Leben in einer Umgebung mit fremder Schrift – manche kennen das aus dem Urlaub, unsere Erfahrungen als Kindergartenkind sind in der Regel schon verblasst. Die meisten einsprachig in Deutschland aufgewachsenen Erwachsenen haben in ihrer Schulzeit nur eng verwandte Orthografien im Fremdsprachenunterricht erworben: Englisch, Französisch, Latein, vielleicht Spanisch, Italienisch oder Altgriechisch.
Mit ein paar Beobachtungen zu Schriftarten und Selbsttests lässt sich besser nachvollziehen, wie es für Neuzugewanderte, die nicht in der lateinischen Schrift alphabetisiert sind, ist, in der deutschen Sprache lesen und schreiben zu lernen. Für ihren Alltag und für passgenaue Unterrichtsangebote bieten digitale Hilfen Erleichterung, bis eine Verständigung in der Umgebungssprache möglich ist."
Finden Sie sich hier mit Ihrer Lehraufgabe dargestellt? Der folgende Artikel von Prof. Dr. Anne Berkemeier verschafft Ihnen zusätzliche vertiefende Einblicke in die Thematik.
© Berkemeier, A.: „(Zweit-)Schrifterwerb: Wer braucht was?“ – 2024, in: Trägerkonsortium BiSS-Transfer (Hrsg.). (2024). Sprachliche Bildung für Neuzugewanderte, BiSS-Journal 19. Köln: MercatorInstitut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache.
